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  • AutorenbildJ.-G. Heurteloup

Un Caraco avec corset et jupon de 1790

Aktualisiert: 3. Okt. 2021

Von Christian Robardey-Tanner


Die Damenmode im Jahr 1790 ist Zeugnis eines markanten gesellschaftlichen Wandels, es scheint so, als sei sie im Vergleich zu den 1770ern und 1780ern geradezu verarmt und als richte sie sich nach dem Tragekomfort. Le Brun nennt und zeigt in seinem journal de la mode et du gout nur wenige Damenkleidertypen:


- der fourreau (auch robe en chemise)

- das Caraco, auch Pierrot oder Coureur genannt über einer dazu passenden jupe oder einem dazu passenden jupon getragen

- die redingote oder lévite für den Winter [1]

- die robe (ein manteau de robe), die über einem jupon oder einer jupe getragen wird


Für die historische Darstellung der frühen 1790er ist wichtig, dass diese „einfachen“ Kleider in jedem gesellschaftlichen Kontext getragen werden, denn Le Brun vermerkt:


Il est bon d’observer que maintenant on va au spectacle et dans toutes les assemblées avec un simple déshabillé ou avec ce qu’on appeloit autrefois une petite robe; la mode a proscrit tous les habillemens d’une certaine ampleur.[2]


Es ist billig zu bemerken, dass man jetzt sowohl ins Theater als auch zu jeglicher Art Gesellschaft in einem einfachen déshabillé oder in einem, was man früher ein Kleidchen zu nennen pflegte, geht; die Mode hat jede voluminöse Bekleidung verbannt.


Dennoch bedeutet diese Tendenz zum casual wear nicht ein Mangel an classe wie 2018, wo man im Trainingsanzug ins Schulzimmer, ins Museum und zum Theater geht, denn Le Brun bemerkt:


Depuis que les femmes se montrent par tout en déshabillé, au salon, au spectacle, dans les jardins publics, ces déshabillés sont devenus aussi ornés qu’élégans.[3]


Seit sich die Damen überall im déshabillé zeigen, und zwar im Salon, so wie im Theater als auch in den öffentlichen Gärten sind diese déshabillés ebenso sehr elaboriert wie elegant.


Dennoch ist es in der Tat so, dass die Silhouetten der Damenkleider von 1790 im Vergleich zu jenen der 1780er Jahre an Volumen eingebüsst haben. Dies erklärt sich laut Le Brun folgendermassen:


On a remarqué sans doute que depuis longtemps les femmes ne portent plus aucune espèce de panier, ni poches, ni coussins, etc. Il est à présumer que tout cet attirail est proscrit pour jamais. Aujourd’hui, sous une robe longue, ou sous un caraco, tous les mouvemens de la taille sont apperçus. Une femme, pourvu qu’elle ne soit ni bossue, ni tortue, en se tenant droite, et en abandonnant son corps au jeu de ses muscles, a toujours de la grace; la rondeur même de sa taille, et son ampleur, quand elle n’est pas excessive, n’y nuit point; seulement il faut que tous les plis de la jupe soient portés sur le derriere, afin que la cambrure de la taille ne soit point effacée, et que la croupe étant saillante, soit parfaitement développée.[4]


Bestimmt hat man seit langem feststellen können, dass die Damen weder Paniers, Poschen noch Kissen etc. tragen. Es ist davon auszugehen, dass all dieses Zeug auf ewig verbannt ist. Heute nimmt man unter einem langen Kleid oder einem Caraco alle Bewegungen der Taille wahr. Vorausgesetzt, dass sie weder bucklig noch einen sonstigen Rückenschaden hat und sich gerade hält, hat eine Frau, indem sie ihren Leib dem Spiel der Muskeln überlässt, immer Anmut. Selbst wenn ihre Taille gewisse Rundungen aufweisen sollte, schaden diese, vorausgesetzt sie sind nicht im Übermass vorhanden, jener nicht. Allerdings ist darauf zu achten, dass alle Falten des Rockes nach hinten gelegt werden. So geht die S-Silhouette im Kreuz nicht verloren und so bleibt auch das Hinterteil schön voluminös.


Nach Helgas robe en chemise von 1791 hatte ich noch einen Rest gestreiften Seidentaft vorrätig. Das sollte gerade noch für ein Caraco reichen, wenn man die Schnittteile reiflich überlegt auf dem Oberstoff anordnete.


Das war alles, was von Helgas fourreau übrig geblieben war.

Als Inspiration diente mir ein weiss-gelb gestreiftes Caraco aus Seidentaft aus der Sammlung des musée Galliera.


Als Grundschritt für das Caraco diente mir das Modell aus der Sammlung Hüpsch.[5] Ich habe mir allerdings erlaubt, die Ärmel gemäss Le Bruns Bemerkung vom 5. Oktober 1790 sehr eng zu schneiden, denn der Herausgeber schreibt:


Il résulte encore un agrément assez piquant de l’habitude où l’on est d’avoir des manches très-justes et descendant jusqu’au poignet, qui lui-même est étroitement serré par un nœud de ruban ; la rondeur et les contours d’un beau bras ne sont plus perdus sous les plis d’une manchette attachée au coude, et frappent les yeux agréablement dans toute leur étendue.[6]


Eine weitere Annehmlichkeit der Kleidung ist der Gewohnheit zu verdanken, der man heute folgt, die Ärmel sehr eng und bis zum Handgelenk, das seinerseits mit einem Band festgebunden wird, zu tragen. Die runden Formen eines schönen Arms gehen so nicht unter den Falten einer am Ellenbogen befestigten Manschette verloren und bezaubern in ihrer Ganzheit das Auge auf angenehme Art und Weise.



Allerdings habe ich mir – in Anlehnung an das Original aus der Sammlung Hüpsch und an jenes aus der Sammlung des musée Galliera – die Freiheit herausgenommen, statt der von Le Brun genannten Bänder Knöpfe zum Verschluss der Ärmel anzubringen.



Die Dekoration der Schösschen folgt weitgehend dem Pariser Original. Die Front des Caraco habe ich jedoch dahin gehend abgeändert, dass ich die Schliessen über dem Bauch weggelassen habe, denn der Stoff musste auch noch für das corset reichen! Ausserdem fand ich, dass man letzteres durchaus sehen sollte.


Das Caraco oder Pierrot mit seinen zehn Knopflöchern und einer Spitze aus dem späten 18. Jh.


Meine Nachbarin musste als Modell herhalten. Die Ärmel sind so eng geschnitten, dass sie darin kaum einen Kaffee trinken kann. Modepuppe halt.



Die Verarbeitung des Caracos habe ich nicht konsequent nach der Konstruktion des von der Abegg-Stiftung dokumentierten Caracos vorgenommen, sondern habe die Futterschnittteile der Rückennähte zuerst mit Stäben verstärkt, dann die Oberstoffteile darauf geheftet und diese dann mit dem doppelten Saumstich verarbeitet. Die Kanten wurden mit dem bewährten point à rabattre sous la main versäubert. Der Oberstoff der Schulterriemen wurde mit Punktstichen durch das Futter hindurch fixiert.


Die Punktstiche auf dem Schulterriemchen

Laut dem journal de la mode et du gout sind die jupons in der Regel aus linon oder Seidentaft gearbeitet. Le Brun schreibt diesbezüglich:


Les dessous blancs, en soie ou en linon, obtiennent toujours la préférence. [7]


Weisse Unterwäsche aus Seide oder linon wird immer bevorzugt.


Leider habe ich weder in Basel noch sonst irgendwo linon gefunden und deshalb häretisch auf einen Baumwollbatist zurückgegriffen. Die Dekoration des jupon folgt weitgehend dem Modekupfer aus dem 24. Cahier vom 15. Oktober. Dieses einfache Kleidungsstück war viel aufwändiger als das Caraco. Denn es folgten Stunden, die mit dem Rollsäumen und Fälteln der falbalas verstrichen.


Die falbalas des jupon

Das corset ist eine halbversteifte Schnürbrust, die auf dem von Norah Waugh dokumentierten, auf die späten 1790er Jahre datierten Schnitt beruht.[8] Hierbei musste ich – ganz gemäss der historischen Praxis – gewisse Oberstoffteile stückeln, um den Bezug der Schnittteile zu gewährleisten. Vom Reststoff von Helgas seidener robe en chemise ist kaum noch etwas übriggeblieben.


Das corset. Die Nähte habe ich mit einer alten Borte ausgekleidet, die mir M de Feule zur Verfügung gestellt hatte.

[1] LMG, 32e Cahier, 5 Janvier 1791, p. 2

[2] LMG, 30e Cahier, 15 Décembre 1790, p. 2.

[3] LMG, 16e Cahier, 25 Juillet 1790, p. 2.

[4] JMG, 23e Cahier, 5 Octobre, 1790, p. 2.

[5] Pietsch, Joannes, Stolleis, Karen: Köllner Patrizier- und Bürgerkleidung des 17. Jahrhunderts. Die Kostümsammlung Hüpsch im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, Riggisberger Berichte, Abegg-Stiftung, 2008, pp. 340 – 347.

[6] LMG, 23e Cahier, 5 Octobre, 1790, p. 2.

[7] LMG, 24e Cahier, 15 Octobre 1790, p. 1, LMG, 22e Cahier, 25 Septembre, p.1

[8] Waugh, Norah: Corsets and Crinolines, Routledige, London, 1954, p. 44.

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